Service Learning und Partizipative Forschung
Es ist uns Anliegen, Studierende in praxisorientierten Veranstaltungen auf mögliche Berufsfelder vorzubereiten. Die „Leichte Sprache“ hat als „Varietät der Verständlichkeit“ in akademischen Kontexten keinen guten Stand – zu stark sind die Vorbehalte gegenüber dieser Sprachform, die zunächst gänzlich ohne wissenschaftliche Expertise erarbeitet wurde.
Empirische Untersuchungen in Zusammenarbeit mit Partnern im Bereich der Betreuung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, funktionalen Analphabeten und Deutschlernenden im Erwachsenenalter verfolgen deshalb im Moment bereits zwei Ziele: Zum einen soll geprüft werden, welchen Kriterien funktionale Varietäten wie ‚leichte‘ oder ‚einfache Sprache‘ genügen müssen, um für spezifische Adressatenkreise adäquate Texte hervorbringen zu können, die diesen als ‚verständlich‘ gelten können. Zum anderen sollen Strategien erarbeitet werden, die die Akzeptanz dieser funktionalen Varietäten nicht nur öffentlich, sondern auch im akademischen Kontext verbessern helfen.
Zentrales Prinzip der praxisorientierten Einzelprojekte ist, dass Studierende im "Service Learning" immer beteiligt (und für ihren Einsatz auch honoriert) werden. Angehende Lehrer:innen und Sprachwissenschaftler:innen können in praxisorientierten Seminaren nicht nur verschiedene Aspekte ihrer theoretischen Ausbildung auf den Prüfstand stellen, sondern auch früh ein mögliches Arbeitsfeld für sich erschließen bzw. sich wichtige Fähigkeiten im Hinblick auf das Thema „Inklusion und Bildung“ erarbeiten, indem sie eng mit der Zielgruppe in "Partizipativer Forschung" zusammenarbeiten.
Aus der engen Zusammenarbeit mit dem Martinsclub Bremen e.V. ist das VERSO-Empfehlungswerk für eine leicht verständliche Sprache hervorgegangen und zur Grundlage für zwei Unternehmen geworden, die Selbstverständlich GmbH in Bremen und die VERSO Dresden gGmbH, einer Ausgründung aus der TU Dresden.
Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Projekte vor, die wir in den letzten Jahren umsetzen konnten.
Albrechtsburg Meissen: barrierefrei - gemeinfrei - partizipativ (2020)
Im Sommersemester 2019 entstand im „Service Learning“-Seminar „Barrierefreie Kommunikation“ an der Technischen Universität Dresden der Pilot für einen Audioguide der Albrechtsburg Meissen nach den Prinzipien von VERSO. Der Audioguide basiert auf Texten, die Studierende und Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene des Christlichen Sozialwerks (CSW) mit kognitiver Beeinträchtigung partizipativ vor Ort in Meißen und in den Seminarsitzungen erarbeitet haben. Unterstützt wurden Sie dabei von Mitarbeiter·innen der Albrechtsburg Meissen, der Professur für Germanistische Linguistik und Sprachgeschichte und des Teams VERSO Dresden.
Hören Sie selbst!
- Hörversion auf mobiler Website (optimiert für Smartphones)
- Playlist bei Youtube (zur Einbettung in Websites)
Eine ausführliche Dokumentation halten wir für Sie in diesem Beitrag bereit.
Der Bereich GSW barrierefrei (2019)
Barrierefreie Präsentation des Bereichs GSW
tu-dresden.de/gsw/barrierefrei
Teilhabe zu ermöglichen, ist eine der zentralen Herausforderungen, vor die sich in den letzten Jahren unsere Gesellschaft gestellt sieht. Im Barrierefreie-Websites-Gesetz (BfWebG) sind die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, um den Zugang zu Internetauftritten ohne Hürden zu ermöglichen.
Um diesen Bedingungen zu genügen, wurde die Präsentation des Bereichs GSW der TU Dresden um einen barrierefreien Teil ergänzt.
Das Projekt wurde initiiert von Prof. Dr. Alexander Lasch (Institut für Germanistik), finanziert durch Sondermittel Inklusion des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und vergeben durch den Beirat Inklusion der TU Dresden. Die Umsetzung erfolgte u.a. durch das Projekt VERSO sowie viele studentische und freie Mitarbeiter:innen.
Nach Befragung der Adressat:innengruppen (Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und/oder Menschen mit Migrationshintergrund) wurden die Inhalte der Präsentation des Bereichs GSW auf die Adressat:innengruppen zugeschnitten, partizipativ priorisiert und gemäß dem VERSO-Empfehlungswerk für verständliche Sprache formuliert.
Die so entstandenen Texte wurden durch mehrere Gruppen aus dem Adressat:innenkreis auf Lesbarkeit und Verständlichkeit geprüft. Nach der gemeinsamen Erarbeitung und Prüfung gelten die Inhalte als partizipativ erarbeitet und verständlich und tragen das Zertifikat „Verständlich nach VERSO“.
Das heißt: Alle Lesetexte sind barrierefrei und in einem Glossar werden schwer verständliche Begriffe erklärt. Hörversionen aller Texte sichern einen barrierefreien Zugang. Die Angebote werden ergänzt durch barrierefreie Fotoaufnahmen und Grafiken sowie durch barrierefreie Filme zentraler Inhalte abgerundet.
Barrierefreie Kommunikation im Albertinum Dresden (2018)
Im Rahmen eines „Service Learning“-Seminars zur „Leichten und einfachen Sprache“ im Sommersemester 2018 an der TU Dresden erarbeiten die Professur für germanistische Linguistik und die Medieninformatik der TU Dresden gemeinsam mit Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung (u.a. CSW-Christliches Sozialwerk gGmbH Dresden) und der Kuration des Albertinums Dresden ein innovatives Konzept barrierefreier Kommunikation: personalisierte Audio-Guides.
Weitere Informationen:
Audioguide zur "Dauerausstellung" im DHMB in einfacher Sprache (2017f.)
In Kooperation mit dem DHMB entstand im Rahmen der Veranstaltung „Themenfelder der Angewandten Linguistik“ und gefördert durch den PerLe-Fonds für Lehrinnovation und das BMBF ein Pilot für einen "Audioguide zur Dauerausstellung" auf mobiler Website in einfacher Sprache.
Das Ziel war, in partizipativer Forschung einen Audioguide mit unterschiedlichen Vermittlungsstufen zu verschiedenen ausgewählten Objekten zu entwickeln. Im März 2018 wurde das Ergebnis im DHMB vorgestellt. Die Ergebnisse fließen in das Projekt "Barrierefreie Kommunikation im Albertinum Dresden" ab 2018 unmittelbar ein.
Barrierefreie Version des Werkstattvertrags der Stiftung Drachensee Kiel (2017)
In Kooperation mit der Stiftung Drachensee Kiel entstand im Rahmen der Veranstaltung „Themenfelder der Angewandten Linguistik“ und gefördert durch den PerLe-Fonds für Lehrinnovation und das BMBF eine Begleitbroschur für einen Werkstattvertrag in einfacher Sprache.
Das Ziel war, in partizipativer Arbeit in einer Fokusgruppe neben einem Text zur Lektüre eine Hörversion für die Menschen bereitzustellen, die mit den Erläuterungen in einfacher Sprache noch ihre Schwierigkeiten haben. Der Gestaltung der Texte in einfacher Sprache liegen die Ergebnisse zu Grunde, die wir empirisch gemeinsam mit dem Martinsclub Bremen e.V. erarbeitet haben. Ab Dezember 2017 ging die Version in die Praxis. In einem Feedbackverfahren wurde die Praktikabilität ermittelt.
- Werkstattvertrag — Vertragstext in optimierter Leseversion (*.pdf)
- Erläuterung zum Vertrag in einfacher Sprache (*.pdf)
- Hörversion der Erläuterungen auf mobiler Website
- Feedbackbogen (*.pdf)
Weitere Quellen:
- „Einfache Sprache“ – Praktische Lösungen für die Herausforderungen des BTHG (extern)
- Werkstattvertrag in einfacher Sprache. Studierende entwickeln praktische Lösungen für mehr Teilhabe (extern)
Kooperation zur empirischen Grundlegung der einfachen Sprache mit dem Martinsclub Bremen (2015ff.)
"Empirische Grundlegung von Empfehlungen für eine einfache Sprache" in Zusammenarbeit mit dem Martinsclub Bremen e.V.:
- Empirische Zugänge zu einfacher und leichter Sprache (extern)
- Leichte Sprache: Leicht zu verstehen, schwer zu meistern (extern)
- Leichte oder einfache Sprache? Eine empirische Grundlegung (extern)
- Umsetzung der erarbeiteten Regeln im Projekt VERSO
- Publikation: Alexander Lasch (2017): Zum Verständnis morphosyntaktischer Merkmale in der funktionalen Varietät „Leichte Sprache“. In: Bettina M. Bock, Ulla Fix & Daisy Lange (Hg.). „Leichte Sprache“ im Spiegel theoretischer und angewandter Forschung. Frank & Timme, Berlin. 275-299.
"Lexik und Syntax der Einfachen Sprache" in Zusammenarbeit mit dem Martinsclub Bremen e.V. (laufend):
- Wortschatztests in den Zielgruppen: Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, Funktionalen Analphabeten, Menschen mit Migrationshintergrund
- Systematischer Ausbau der Testumgebungen zur empirischen Grundlegung der Empfehlungen für das Projekt VERSO (extern)
Erste drittmittelgestützte Pilotprojekte:
- empirische Grundlegung von Empfehlungen für eine ‚einfache Sprache‘ mit dem Martinsclub Bremen e.V., die in das Projekt VERSO direkt eingeflossen sind,
- Erarbeitung und Evaluation eines Konzeptes ‚einfache Sprache‘ für die Sonderausstellung „Deutscher Kolonialismus“ mit dem DHMB,
- Erstellung der Hörversion eines Werkstattvertrags mit der Stiftung Drachsensee Kiel und
- die Erstellung eines Audioguides für die Dauerausstellung des DHMB.
Kooperation und Förderung
Team
TU Dresden
Alexander Lasch
VERSO Dresden (extern)
Juliane Heidelberger
Liane Drößler
Jan Langenhorst
Sophie Langholz
Florian Röhle
Veranstaltungen
- Vorstellung des Audioguides zur Albrechtsburg Meissen. 27.01.2020. Dokumentation und Präsentation.
- "Barrierefreie Kommunikation in Ausstellungen". Dresden, 13.12.2018. Präsentation (*.pdf)
- "Leichte Sprache im öffentlichen Raum". Berlin, 12.10.2018. Aufzeichnung und Präsentation (*.pdf)
- "Deutschlandfunk für Deppen. Funktionale Varietäten der ‚leichten‘ oder ‚einfachen Sprache‘ zwischen Verständlichkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz". Kiel im Frühsommer 2017.
- "Leichte oder einfache Sprache? Eine empirische Grundlegung". Bremen und Berlin im Frühjahr 2017. Präsentation (*.pdf) (extern)
- "Alltag Einheit. Leichte Sprache aus sprachwissenschaftlicher Perspektive. Vortrag am Deutschen Historischen Museum". Berlin, 21. Januar 2016. Präsentation (*.pdf) (extern)
Tagung „SPRACHE UND VERMITTLUNG – KOMMUNIKATION IN AUSSTELLUNGEN“, DHM Berlin, 11. und 12.10.2018.
Lehre
Ankündigungen und Beschreibungen der Lehrveranstaltungen zur Leichten bzw. Einfachen Sprache ab dem Sommersemester 2018 an der TU Dresden sind im Blog mit anderen Themen zusammengefasst unter dem Tag ServiceLearning.
Die Lehrveranstaltungen zum Thema an der CAU zu Kiel sind extern im Sprachpunkt einzusehen.
Presse und Öffentlichkeit
"Texte für alle. Das Konzept Leichte Sprache". SWR2 – 19.4.2014, 8.30 Uhr. Autor_in: Silvia Plahl. „Leichte Sprache“ zielt auf eine einfache Formulierung und barrierefreie Information. Internetseiten, Zooführer oder Wahlprogramme werden übersetzt und von Menschen mit Lernschwierigkeiten überprüft: Keine Metaphern, kurze Sätze, Wiederholungen sind erwünscht. Solche Regeln können Behördenmitarbeiter oder Politiker in Workshops einüben. Die klare Aussage hat durchaus Konjunktur – auch Versicherungen werben neuerdings damit, sich von Worthülsen zu verabschieden. Beipackzettel, Bedienungsanleitungen, Steuererklärungen könnten verständlicher werden – solange der Inhalt weiter stimmt. Zum Wahlprogramm in „Leichter Sprache“ hieß es in der CDU vorsorglich: „Nur das Original ist gültig“.
Wahlbriefe in „Leichter Sprache“: Um Schönheit geht es nicht. Interview mit Anna-Kathrin Gellner, erschienen am 11.04.2017 in der Onlineausgabe (gekürzt am 12.04.2017 in der Printausgabe) der SHZ.
[Ausländische] Menschen [haben Angst] – Wahlkampf in ‚leichter Sprache‘. In: WIR. Magazin der Donnersmarck-Stifung H. 2/2013. 30-33. Interview mit Ursula Rebenstorf.