Nur über ihre Veränderbarkeit und Ergänzbarkeit wird Sprache zu dem mächtigen Ausdrucksmittel, das sie im Verlauf der Evolution für die Menschen geworden ist. Diese Eigenschaft, produktiv zu sein, hatten wir schon im ersten Kapitel als wesentlich für die menschlichen Sprachen herausgestellt. Das bedeutet: Unsere sprachlichen Mittel insgesamt – und vor allem auch die Wörter unserer Sprache – können in jeder Situation unseren Ausdrucksbedürfnissen sehr differenziert angepasst werden, und diese Flexibilität ist in der Sprache systematisch angelegt. […]
Das kleine Kind aus dem Transkript in Kapitel 3.1 wird in Zukunft nicht nur ein buntes, im Wasser schwimmendes Tier als Fisch ansprechen können, sondern wird lernen, dass man auf ein einzelnes Exemplar mit der Fisch, auf eine Vielzahl aber mit die Fische verweist. Es wird mühelos verstehen, dass ein Fischchen ein kleiner Fisch ist; und dass man das Lexem einerseits in komplexere Wörter (Fischbrötchen, Butterfisch, Fischerei) „einbauen“ kann, dass es aber auch Bestandteil von weniger transparenten Formen (z.B. im Verb fischen oder im Adjektiv fischig) werden kann, die dann nach den Regeln der jeweils anderen Wortart funktionieren. [Bremer/Müller 2021, S. 122f.]
Innerhalb der Morphologie werden zwei große Teilbereiche unterschieden:
- die Flexion, zu der Konjugation, Deklination und Komparation gehören; mit diesen Prozessen werden Wortformen gebildet, also sozusagen grammatische Varianten eines bestehenden Wortes. Dazu werden jeweils an eine Stammform gebundene grammatische Morpheme angefügt. […]
- die Wortbildung, zu der Komposition, Derivation und z.B. Kürzung gehören; durch diese Prozesse entstehen neue Lexeme, wie wir in den nächsten Abschnitten sehen werden. [Bremer/Müller 2021, S. 123f.]